
Mobiles Arbeiten für Grenzgänger
- Illustration
Vincent Brod
Dieses Erprobungsfeld betrifft aufgrund der örtlichen Relevanz nur einige AUFs, nicht die Mehrzahl. Mobiles Arbeiten/Home-Office hier anzubieten ist nicht pauschal möglich, sondern bedarf immer der Einzelfallprüfung, v.a. aus Gründen des Betriebsstätten-Risikos, aber auch der individuellen steuerlichen Auswirkungen. Als Experimentierraum daher nur geeignet, wenn man bereit ist, diese steuerrechtlichen Risiken einzugehen (Haftungsrisiken, finanzielle Risiken bei Betriebsstätten-Gründung) oder Ausnahme-"Genehmigungen" der ausländischen und inländischen Finanzämter einholt.
Erkenntnisinteressen
Kann es einzelnen Instituten gelingen, die steuerlichen Risiken beherrschbar zu machen bzw. Ausnahmegenehmigungen zu erhalten?
Welche Grenzen sind bisher bekannt?
Kulturelle Grenzen
- Unverständnis, das nach den umfassenden Freiheiten der Corona-Auflagen die Home-Office-Möglichkeiten in ausländischen Wohnstaaten durch die Vorgaben bzw. Weitergeltung des deutschen Sozialversicherungsrechts wieder eingeschränkt sind
- Trotzdem geduldete Praxis
- Gleichberechtigungsdebatten
Arbeitsrechtliche Grenzen
- Keine bekannt
Steuerrechtliche Grenzen
- Lohnsteuerrecht und Gefahr der Begründung einer Betriebsstätte im Ausland.
- Immer Einzelfallprüfung erforderlich -> hat Auswirkungen auf Aufwand/Ressourcen in HR und bei Steuerrechts-Kollegen
Sozialversicherungsrechtliche Grenzen
- Grenzüberschreitende Tätigkeiten in Telearbeit unterliegen grundsätzlich der Sozialversicherung des Mitgliedstaates der EU, an dem sich die Person und der Laptop befindet.1
- Ausnahmen bestehen für sog. Entsendungen (inkl. „workation“) und die regelmäßige Beschäftigung in zwei oder mehr Mitgliedstaaten.
- Arbeitet eine Grenzgängerin regelmäßig 25% der Gesamttätigkeit oder mehr vom Wohnsitz aus (klassisches „Home-Office“), unterliegt die gesamte Tätigkeit grds. der Sozialversicherung des Wohnmitgliedstaats, bei weniger als 25% „Home-Office“ der Sozial- versicherung des Mitgliedstaats, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
- Ab 1. Juli 2023 kann aufgrund einer Rahmen-Vereinbarung einiger Mitgliedstaaten der EU auf Antrag auch bei Homeoffice von Grenzgänger*innen von bis zu unter 50% das Recht des Mitgliedstaats, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, für anwendbar erklärt werden. Konkret bedeutet das bis 24,99 %: Mitarbeitende müssen Antrag auf Feststellung des anzuwendenden SV-Rechts bei zuständiger Behörde im Wohnsitzstaat stellen. Bei einer multilateralen Rahmenvereinbarung (25 - 49,99 %) muss die Antragstellung über Arbeitgeber (Prüfung der Voraussetzungen!) erfolgen
Tarifvertragliche Grenzen
- Keine bekannt
Gesundheitliche Grenzen
- Keine bekannt
Sonstige Grenzen
- Gefahr der Gründung einer ausländischen Betriebsstätte mit der Konsequenz einer evtl. Bilanzierungspflicht
Ortsflexible und attraktive Arbeitsmöglichkeiten (OaA)
Welche Lösungsansätze gibt es?
- Aufarbeitung steuerrechtlicher Risiken (Haftungsrisiken, finanzielle Risiken bei Betriebsstätten-Gründung)
- Ausnahme-Genehmigungen der ausländischen und inländischen Finanzämter
Offene Fragen
- Was wäre sicher zu stellen bzw. zu vermeiden, um diese Problematik der Betriebsstättengründung zu lösen bzw. nicht aufkommen zu lassen? Gibt es ggf. gewisse Fristen oder Zeiträume zu beachten?
- Gibt es in den umliegenden Wohnstaaten berufsgenossenschaftliche Regelungen, Unterschiede, Ausschlüsse oder Restriktionen zu beachten?
- Bei der der Durchführung von Dienstreisen und deren Abrechnung stellt sich die Frage, wo beginnt diese und welche Kosten werden erstattet?
Zu welchen anderen Erprobungsfeldern besteht ein enger Bezug?
- Bezug zu 1.11 und 1.12
Footnotes
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Deutsches Sozialversicherungsrecht muss dabei anwendbar sein. Den Rahmen dafür liefert die EG VO 883/2004 sowie das neu geschaffene multilaterale Rahmenübereinkommen. Quelle dazu: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Internationales/info-home-office-grenzgaenger.pdf?__blob=publicationFile&v=11 ↩